Ein Briefwechsel

Hallo, Fr. Leisch!

Ich hatte die Möglichkeit, am Dienstag den 14.10 in unserer Justizanstalt den Film zu sehen, welcher hier produziert wurde.

Mit Wertschätzung ihrer Arbeit und in Anbetracht, dass ich diesen Film mit den Augen einer Justizwachebeamtin sah, wollte ich nach der Vorführung eigentlich keine Äußerung abgeben. Nachdem ich alles ein bißchen “sacken” lassen konnte, ist es mir dennoch ein Bedürfnis, ihnen eine Rückmeldung zu geben.

Ich bin sicherlich kein Mensch, der alles ablehnt, im Gegenteil. Ich bin offen und gespannt auf alles was da kommt. Nur dieser Film hat mich persönlich sehr traurig gemacht, da ich meinen Berufsstand als sehr negativ dargestellt wahrnahm. Auch wurde für mich das Bild der Inhaftierten unserer Justizanstalt als gewalttätig und reuelos dargestellt.

Ich weiß auch, dass es sich nicht um die Beamten gedreht hat, sondern um Insassen, die Beamte spielen. Dass ich mich aber auf das Bild des JWB´s konzentrierte, ist, denke ich, verständlich.

Schade, dass unser Berufsstand nicht ein bißchen besser weggekommen ist, da wir hier alle mit einer Aufgabe betraut sind, die nicht gerade einfach ist.

Schließlich und endlich begleiten wir Menschen eine sehr lange Zeit (manchmal sogar 20 Jahre lang), die für die meisten unserer Insassen höchstwahrscheinlich die schwierigste Zeit ihres Lebens ist. Und viele von den Insassinnen danken so manchen von uns für unsere sehr menschliche, fürsorgliche und verständnisvolle Art, mit der wir hier an die Probleme einzelner ran gehen. Wir sind gute Menschen, keine herzlosen, kalten Racheengel, die nur darauf sinnen, den Gefangenen das Leben hier herinnen zu erschweren.

Ich hoffe, dass die Menschen draußen, nicht so sehr auf die Figur  in der Uniform achten sondern den Sinn des Films besser verstehen als so manche Kolleginnen hier.

Ich wünsche ihnen dennoch viel Erfolg bei der Viennale und verbleibe

mfg
Hötsch Cornelia

Sehr geehrte Frau Hötsch,

Ich danke Ihnen sehr für Ihren Kommentar zu unserem Film.

Ich selber zweifle sehr daran, daß es sinnvoll ist, Menschen einzusperren, zumindest für einen großen Teil derer, die ich als GefängnisisassInnen kennenlernen durfte, gäbe es wahrscheinlich fruchtbringendere (aber eben: teurere) Alternativen.

Ich habe aber in den vier Jahren Theaterarbeit hinter Gittern immer wieder gemerkt,  daß das Eingesperrtsein nur dann zu ertragen ist - und sogar positive Auswirkungen zeitigen kann, - wenn diejenigen, die im Gefängnis arbeiten, einen hohen Anspruch an ihre Arbeit stellen und bereit sind, die Macht, die sie über andre ausüben zu reflektieren.

Ich habe gerade in der Schwarzau und in Gerasdorf einige Beamte und Beamtinnen kennengelernt, die sehr bewußt mit der Ihnen gegebenen Macht über die InsassInnen umgehen und sich sehr bemühen, den ihnen anvertrauten Menschen soweit wie möglich zu helfen und zu wichtigen AnsprechpartnerInnen und Vertrauenspersonen der Gefangenen werden.

Ich habe vor diesen BeamtInnen großen Respekt, denn einerseits ist Macht etwas, was die Machtausübenden meist viel weniger bewußt wahrnehmen, als diejenigen, über die Macht ausgeübt wird, andererseits kann es sicher sehr ermüdend sein, immer mit Menschen zu tun zu haben, die  schwierig sind (oder  besser: es schwierig haben) und trotzdem freundlich, hilfsbereit und gerecht zu bleiben.

Unser Film zeigt aber keine/n von ihnen. Wir haben uns nur darauf beschränkt, den InsassInnen zuzuhören und ihnen in der Theaterarbeit einen Freiraum zu geben, in dem sie über ihre Situation spielerisch nachdenken können.

Es ist wahrscheinlich kein Zufall, daß die von den Insassinnen gespielten “BeamtInnen” im Film immer nur bei Aktivitäten gezeigt werden, in denen es um Kontrolle, Durchsuchung, Erwischtwerden, also um die Ausübung ihrer Macht geht, daß sie nur als Ordnungsinstanz auftauchen, um zu verbieten, Streits zu schlichten, für Ordnung zu sorgen.

Ich glaube, zum einen ist das so, weil das Wesen des Dramatischen der Konflikt ist.

Eine nette Beamtin, mit der man über die Kinder und das Leben und die Liebe plaudert, ist zwar eine erfreuliche und manchmal rettende Erscheinung im wirklichen Leben, aber auf der Bühne vielleicht nicht sehr  dramatisch.

Aus diesem Grund haben die InsassInnen bei den Improvisationen über ihr eigenes Leben wohl auch eher Konflikte, Schwierigkeiten, Gewalttätigkeiten  als Glücksmomente gespielt.

Ich habe beim Schnitt des Filmes viel darüber nachgedacht, was es bedeutet, dass die Beamtinnen im Film nur als strenge Instanz der Macht vorkommen, nie als Menschen, mit denen man es auch manchmal fein und lustig hat.

Ich denke, es geht dabei um eine grundsätzliche Infragestellung der Entmündigung

die durch die Inhaftierung geschieht. Plötzlich müssen erwachsene Menschen um alles fragen wie ein kleines Kind. Plötzlich haben sie in der Instítution Gefängnis, - die ihnen in Gestalt der BeamtInnen gegenübertritt- eine fast allmächtige Instanz über sich, die über  jedes kleinste Detail ihres Leben entscheidet.

Ich glaube, daß die Darstellung der BeamtInnen im Film vor allem ein Sichabarbeiten an dieser demütigenden Unterwerfung unter die Macht der totalen Institution ist, nicht so sehr ein realistisches Portrait von konkreten JustizwachebeamtInnen.

Ich denke, daß der Film auf einer anderen Ebene sehr wohl Ihre Arbeit und die all jener, die für einen humanen Strafvollzug und für eine Verbesserung der  Situation der Gefangenen eintreten, würdigt.

Mit freundlichen Grüßen,
Tina Leisch

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4 Kommentare

  • robert sommer on 3. Oktober 2008

    Gratuliere zur Website. Erst durch sie schmeckt das Gesamtkunstwerk ein wenig nach Anarchie. Eine Bemerkung zum Zitat aus dem Augustin (nett, dass ihr die einzige gefängnisfeindliche Zeitung des Landes zitiert): Dass KunstarbeiterInnen von Projekt zu Projekt, von Justizanstalt zu Flüchtlingsheim zu Psychiatrie zu Justizanstalt ziehen, jedes Mal die eben Wachgeküssten zurücklassend in einer Wüste ohne Küsse, ist kein Vorwurf. Stünden in jeder totalen Anstalt ausreichend Mittel für kontinuierliche Kulturarbeit zur Verfügung und gäbe es ein Kunstsubventionierungs-System, das langem Atem belohnt und nicht Projekt-Manie, fänden KunstarbeiterInnen Rahmenbedingungen vor, den Weg der Bestraften von der Talententdeckung bis zum Einsammeln der Aufmerksamkeitseinheiten zu begleiten oder so selbstverständlich in den Gefängnissen ein- und auszugehen wie katholische Seelsorger oder Häfen-Psychologen. Aus diesem Blickwinkel wird in der kommenden Augustin-Ausgabe (8. 10.) das Projekt “Rappers in Prison”, in der darauf folgenden Ausgabe euer Projekt und in Zukunft weitere Häfen-Kunstprojekte betrachtet.
    Immer mehr Leute immer länger einsperren, das ist eine „Problemlösung“, für dich sich besonders die Krone stark macht. Kolumnist Jeanée verhöhnte vor ein paar Wochen die Justiz, weil sie die „Todesengel von Lainz“ vorzeitig aus der Haft entließ. Dazu fielen ihm „die Söhne und Töchter und Enkel und Enkelinnen der Opfer ein, die nun in den Journalen und Magazinen lesen müssen, dass die Mörderinnen ihrer Lieben, ausgestattet mit neuer Identität und im Genuss fester Wohnsitze, die allerbesten Bedingungen für einen Neustart vorfinden“. Das müsse verhindert werden, suggeriert Jeanée, man dürfe doch Mörderinnen nicht schon nach 17 Jahren Haft in die Öffentlichkeit lassen. Noch traut er sich nicht, die Todesstrafe ins Spiel zu bringen; unter einem FP-Justizminister wird er wohl ein Schäuferl nachlegen.
    Soll der Staat überhaupt strafen? Für Schreiberlinge vom Schlage Jeannées wäre vielleicht diese Fragestellung schon strafwürdig. Die keineswegs linke, nicht einmal liberale „Neue Zürcher Zeitung“ brachte jüngst einen Beitrag, der sich kritisch zur rechten Standardforderung nach Verschärfung des Strafrechts verhielt: „Es ist der leidige Nachteil der Strafe, dass sie den Bestraften nicht bessert. Strafe erzeugt ein gewisses Maß an Konformität mit der geltenden Ordnung. Allein, der Moralität des Bestraften hilft sie nicht auf. Ist der Täter der Meinung, er habe seine Strafe verdient, so zeigt dies nur, dass auch er ein Rechtsgefühl besitzt. Überhaupt erst eingepflanzt aber wurde ihm diese sittliche Instanz nicht durch die Strafe.“
    Ich denke, diese Zeilen aus der NZZ sind auch ein guter Kommetntar zu Gangster Girls…

    Robert Sommer, Redaktion Augustin

  • sammy kovac on 22. Februar 2009

    Da ich selber Insassin der JA Schwarzau war und auch an den Film teilnahm, möchte ich zu dem, was Frau Hötsch geschrieben hat, etwas sagen. Und zwar ist es ja nicht so, dass alle Beamtinnen schlecht sind, sie machen ja auch nur ihre Arbeit und es gibt genug Beamten, die den Insassinnen bei einen Problem helfen. Doch muss ich auch ganz ehrlich sagen, dass auf die meisten Insassinnen die viele Jahre Strafe abzusitzen haben, mehr eingegangen wird als auf die, die nur ein paar Jahre haben. Die Langstrafigen werden meistens bevorzugt. Natürlich werden sie nicht von jeder Beamtin bevorzugt, sondern nur von ein paar.
    Klar haben auch die Beamtinnen mal schlechte Tage und das kann man auch zu spüren bekommen. An der Art, wie sie dann mit einem reden oder wenn man was fragt, dass sie dann gleich angefressen sind. Aber das ist ja menschlich. Im großen und ganzen sind die Beamten von der Schwarzau eh in Ordnung. Natürlich gibt es da ein paar Ausnahmen und ich denke genau diese Ausnahmen werden hauptsächlich im Film dargestellt, und zwar weil man genau auf die eine Wut im Bauch hat und da kann man ihnen im Theater ein bißchen was zurückgeben ohne negative Folgen. Aber das heißt nicht, dass alle Beamte so sind. Die meisten Beamten sind menschlich. Allerdings manche glauben, sie müssen einen täglich spüren lassen, dass sie an der Macht sind. Die Häftlinge wissen ja eh das die Beamtinnen am längeren Hebel sitzen, da muss man es einen doch nicht immer und ständig spüren lassen…….

  • Kinomontag « Life and everything else on 30. März 2009

    [...] Tagebuch — nagl @ 21:21 Bei Gangster Girls im Stadtkino, um 18:00. Ich hatte vorher einen Kommentar zum Film gelesen, und befüchtet, daß da über das Personal hergezogen wird, das war aber nicht [...]

  • gabriele "Haefenstyle" on 4. April 2009

    Ich habe mit den Damen vom Frauengefägnis Schwarzau vor einigen Jahren das Projekt Haefenstyle durchgeführt. Die Idee war eine Taschenkollektion anzufertigen, wo sich die Damen auch kreativ einbringen konnten. Die Insassinnen, ansonsten mit diversen Endfertigungsarbeiten oder leichten Näharbeiten beschäftigt, schätzte die kreative Herausforderung. Eine besondere Tasche - modisch - individuell - mit Seele! Ich war also oft in Schwarzau, die Atmosphäre war immer sehr gut und ich denke, alle die dort sind haben etwas “angestellt”, aber das könnte jedem von uns auch passieren, besonders den ganz Braven. Jede Tat hat eine Vorgeschichte, das ist keine Entschuldigung, aber eine Tatsache.
    Die Taschenkollektion wurde dann erstmals am Weihnachtsmarkt Spittelberg präsentiert und verkauft -die Reaktionen waren sehr unterschiedlich. Von super Idee bis was eine Verbrecherin in der Hand gehabt hat - iggit niemals.
    Aus Anlass dieses Filmes können die Taschen im Internet http://www.club30up.at/shop erworben werden. Die Hälfte des Verkaufspreises kommen den Gangstergirls zu Gute.
    Gratulation zu diesem Filmprojekt - eine Super Idee!

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