Sammy Kovac: Das Leben in der Haft
Texte von Frauen aus der Justizanstalt Schwarzau (2)
Sammy Kovac war von 2003 bis 2007 in der JA Schwarzau inhaftiert. Sie ist eine der Protagonistinnen in Tina Leischs Film „Gangster Girls“. Im Laufe der Arbeit an dem Film begann sie zu schreiben. Hier Teil 2 ihrer Erinnerungen. Im ersten Teil (Der Tag) hat Sammy berichtet, wie sie wegen eines Spielzeugpistolenüberfalls auf eine Trafik eingesperrt wurde.
Mit manchen Gefangen ist das Zusammenleben leicht, doch mit anderen wiederum schwerer. Das ist im Gefängnis genauso wie in Freiheit. Man versucht halt dann einander aus dem Weg zu gehen. Manche provozieren sehr gerne. Da muss man versuchen es runter zu schlucken. Manchen gelingt das, anderen wieder nicht. Am Besten, wenn man es runter schluckt, und sich nicht provozieren lässt. Ich muss ehrlich sagen, ich bewundere die Menschen, die das schaffen: sich einfach nicht provozieren zu lassen. Das ist nicht leicht. Manchmal schafft man es einfach nicht. Doch manchmal ist es mir auch gelungen. Zum Glück, denn sonst wäre ich noch immer im Gefängnis wahrscheinlich, wenn ich mich ständig so gehen hätte lassen. Ich habe dann versucht, an meine Ausgänge zu denken, oder einfach daran, dass ich dann noch mehr Strafe dazu bekomme, und dass ich dann auch noch meine Ausgänge verliere. Und als ich dann mit Denise zusammen war, dachte ich an sie. Sie hat mir ehrlich gesagt schon Kraft gegeben, und auch andere Leute mit denen ich darüber habe reden habe können, wenn ich dachte: Jetzt muss ich zu schlagen. Ich habe es dann nicht getan. Das war auch gut so. Einmal in der Arbeit – ich arbeitete damals in der Näherei- hatte mich auch eine Frau namens Barbara Strasser des öfteren provoziert, und dann sogar mit einer falschen Behauptung über mich und meine damalige Zellenkollegin bei der Beamtin Meldung gemacht. Barbara hatte bei einer Beamtin eine Meldung gemacht, dass Yvonne und ich auf sie los gehen und ich immer über sie schimpfe und sie fertig mache, und dass Yvonne mich gefragt habe, ob ich ihr vom Ausgang Kokain mitbringe, aber das war ja alles ein absoluter Schwachsinn. Barbara hat sich das alles nur ausgedacht. Sie erzählte über viele Leute Lügengeschichten, sogar Beamte hatte sie angezeigt. Eine Beamtin hatte sie sogar wegen Sexueller Belästigung angezeigt. Das war ja natürlich auch voller Schwachsinn. Eines Tages mussten Yvonne und ich zu der Beamtin, die die Meldungen schreibt, zur Einvernahme. Wir wussten natürlich absolut nicht, warum wir dorthin mussten. Barbara musste als Erste hinein gehen zu der Beamtin. Als sie wieder nach einiger Zeit raus kam, war sie stinksauer. Danach musste ich hinein. Die Beamtin sagte zu mir: „Es geht um die Frau Barbara Strasser, und zwar darum, dass Sie ihr die Arbeit aufgetrennt haben sollen.“ Ich sagte: „Ja, das stimmt, aber mir hat das die Frau Yvonne Schürer gesagt, ich soll das machen, da die Maße nicht gestimmt haben und es auch nicht schön genäht war, und nur aus diesen Grund habe ich das gemacht, da ich diese Anweisung bekam“ Anschließend fragte mich die Beamtin: „Stimmt es, dass Frau Yvonne Schürer Sie darum gebeten hat, dass Sie ihr vom Ausgang Kokain mitbringen?“ Ich sagte: „Nein, das stimmt natürlich nicht!“ Die Beamtin: „Stimmt es, dass Sie Frau Schürer immer in Schutz nehmen, sie immer verteidigen, für sie sprechen?“ Ich sagte: “Nein, warum sollte ich das tun? Yvonne hat selbst einen Mund und kann auch selber sprechen und sie kann sich selbst verteidigen.“ Was ja stimmt. Als ich mit der Vernehmung fertig war, sagte die Beamtin zu mir: „Und wenn sie jetzt wieder zurück in die Arbeit gehen, sagen sie nichts zu Frau Strasser, ja? Lassen Sie sie einfach links liegen!“ Ich sagte: „Ja, das werde ich machen.“ Die Beamtin telefonierte auch deswegen mit unserer Arbeitschefin und die sagte genau dasselbe wie wir: dass wir nicht mit der Barbara Strasser reden und auch sonst fast niemand. Bei dieser Sache kam dann zum Glück weiter nichts heraus. Aber manchmal können dich solche Behauptungen auch den Ausgang kosten. Aber so eine Frechheit muss man ja einmal besitzen, und so etwas einfach behaupten. In der Haft gibt es unter den Frauen sehr viel Intrigen, Eifersucht und auch Neid. Sicher ist es schwer, wenn man noch keine Ausgänge hat und man sitzt schon längere Zeit im Gefängnis, und dann kommt eine und erzählt dir, wie super toll der Ausgang war, was sie nicht alles gemacht und getan hat. Wo sie überall war. Dass sie jemanden kennen gelernt hat. Ja, das ist schwer. Auch wenn du dich mit diesem Mädchen super verstehst. Einerseits habe ich es sehr gerne gehört, und dann dachte ich wieder: schade, dass ich nicht auch schon Ausgang habe. Aber ich habe es denen vergönnt. Natürlich gibt es dann auch wieder Leute, denen es man nicht gönnt. Nicht, weil man sie nicht mag, sondern weil die vielleicht eine längere Haftstrafe hat als man selbst hat, und trotzdem Ausgang bekommt und man selbst nicht, obwohl man sich in der Haft nichts zu schulden kommen hat lassen. Es ist auch schwer zu ertragen, wenn ein Junkie oder eine, die schon sehr oft in Haft war und immer wieder kommt, dann bedingt entlassen wird und selber wird einem das Ansuchen auf vorzeitige Entlassung abgelehnt. Manche Leute sagen, dass sie jeder alles vergönnen, aber das glaube ich nicht. Denn die Wut richtet sich ja nicht gegen den bevorzugten Menschen persönlich, sondern gegen die, die das erlauben, die da so ungerechte Entscheidungen treffen. Normalerweise, wenn man eine Neuerliche Verhandlung hat, weil man in der Haft etwas angestellt hat, darf man nicht auf Ausgang gehen so lange die Verhandlung noch nicht war, und man noch nicht das Urteil hat. Bei mir, als ich die neuerliche Verhandlung anstehen hatte wegen der Geschichte mit dem Wasserkocher, da haben auch viele Leute gesagt: das ist unfair, dass ich meine Ausgänge weiterhin habe. Aber ich hatte damals immer gesagt, dass ich das selber auch unfair finde, denn eine andere hätte wahrscheinlich oder ziemlich sicher Ausgangssperre bekommen, doch ich habe keine Ausgangssperre bekommen. Ich weiß zwar nicht wieso, aber das war halt so. Aber ich sagte immer, dass ich das selber den anderen gegenüber unfair finde, aber wäre doch blöd, wenn ich deshalb darauf verzichte. Viele haben auch gesagt, dass es unfair ist, dass ich in den viel lockereren Erstvollzug gekommen bin. Das habe ich wiederum nicht ungerecht gefunden, da ich ja auf der auch lockeren Jugendabteilung bleiben hätte könne, und ich von mir aus gesagt habe: Ich will weg von der Jugendabteilung, egal wohin, und wenn es sein muss, gehe ich auch in den viel strengeren Normalvollzug. Das ist in meinen Augen ein Unterschied, ob man weg musste oder selber weg will.
Zur Gewalt: Eine gegen eine ist okay, aber wenn mehrere gemeinsam auf eine Person los gehen, das ist dann nicht mehr okay, das ist in meinen Augen feige. Sicher ist Gewalt keine Lösung. Man sollte es gar nicht soweit kommen lassen, aber es gibt Situationen wo man sich vielleicht nicht mehr anders wehren kann. Als ich auf der Jugendabteilung war, da gab es auch ein Mädchen, Manuela, das nur Probleme gemacht hat, und eines Tages hat es uns gereicht. Wir waren auch zu dritt, ich, Claudia und Sabrina, doch wir sind nicht alle drei auf einmal auf sie los gegangen. Sie hat zwar von jeder von uns drei eine Watsche bekommen, aber hintereinander. Eine ist vorbei gegangen bei ihr und hat ihr eine geben, und ist weiter gegangen, und danach ist die andere hingegangen, als die erste schon wieder weg war und gab ihr eine Ohrfeige. Aber wir sind nicht gleichzeitig auf sie losgegangen. Es war zwar auch nicht okay. Aber es hat uns halt gereicht mit ihr. Ihre Lügerei und vor allem, dass sie uns tagtäglich bestohlen hatte. Eines Tages hat das Mädchen sich aufgeschnitten. Claudia und Sabrina waren gerade in der Arbeit und ich habe das alles mitbekommen. Wie sie behauptet hat, dass die Claudia und die Sabrina sie so fertig machen, und sie sich deshalb geschnitten hat. Sie musste in das Krankenhaus nähen fahren. Als ich das hörte, lief ich schnell zu Julia in die Zelle und weckte sie auf, und erzählte ihr das. Wir schauten aus dem Fenster, ob wir Sabrina und Claudia sehen. Dann hatten wir sie zufällig gesehen und erzählten ihnen alles über das Fenster hinunter. Die sind natürlich gleich zur Beamtin gegangen. Als die beiden von der Arbeit kamen mussten sie natürlich gleich in das Dienstzimmer gehen wo zirka sechs Beamten auf sie warteten. Was da drinnen gesprochen wurde, wussten wir natürlich zu diesen Zeitpunkt nicht. Auf einmal ging die Tür auf und eine Beamtin fragte uns, wer aller ein Problem hat mit der Manuela. Daraufhin sagte die ganze Jugendabteilung: „Ich!“ So kam es dazu, dass die Manuela von der Jugendabteilung weg kam. Das war eine Frechheit, dass sie behauptet hatte, dass Claudia und Sabrina ständig auf sie los gegangen seien, denn das hat überhaupt gar nicht gestimmt, denn die beiden gaben ihr immer wieder eine Chance. Und die beiden überredeten auch uns andre immer wieder, dass wir Manuela immer wieder aufs Neue eine Chance geben. Aber wenn jemand stiehlt von den Mitgefangenen, das wird nicht toleriert von den anderen Häftlingen. Es ist nicht so, dass sie gleich geschlagen werden, aber man will halt mit denen nichts zu tun haben, und natürlich werden sie auch zu Rede gestellt. Sie bekommen auch eine oder sogar mehrere Chancen, aber wenn eine nicht aufhört zu stehlen, dann wird sie irgendwann geschlagen. Denn stehlen in der Haft, das ist echt das letzte. Denn da drinnen hat eh fast keiner etwas und außerdem gibt es immer Leute die einem helfen. Man muss echt wirklich nicht stehlen. Denn jeder muss sich das wenige Geld einteilen. Außerdem kann man ja eh fragen. Sicher gibt es auch Leute, die nein sagen, aber es gibt auch Leute, die nicht nein sagen. Mit mir war auch eine auf der Zelle, die hatte ohne zu fragen meine Telefonkarte genommen und ist telefonieren gegangen, als ich nicht da war. Aber sie hat es mir hinterher gesagt. Momentan war ich schon stinksauer auf sie, aber sie hatte es mir ja gebeichtet. Ich habe zwar zu ihr gesagt: „Das war nicht Okay von ihr, dass du die Telefonkarte einfach ohne Fragen genommen hast! Das nächste mal fragst du einfach vorher!“ Einmal hatte ich auch mit einen Mädchen einen Streit, es kam auch zu Schlägen. Sie hatte meinen kleinen Finger in der Hand und irgendwann ließ sie los. Der Finger war gebrochen. Aber ich sagte zu den Beamten, ich sei bloß ungeschickt über die Türstaffel geflogen, und dabei sei es passiert. Denn in meinen Augen gehören zum Streiten immer mindestens zwei Personen dazu, denn einer alleine kann nicht streiten. Das geht einfach nicht. Mein schlimmster Streit endete mit der Geschichte mit dem Wasserkocher. Doch davon erzähle ich im nächsten Teil.